Vollstreckungsrecht eines Inhabers einer privilegierten Forderung in der Wohlverhaltensperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens

BGH Beschluss vom 28.06.2012 AZ: IX ZB 313/11

Der BGH hat entschieden, dass ein Insolvenzgläubiger von Ansprüchen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung während der Dauer der Wohlverhaltensphase auch in den Vorrechtsbereich für solche Forderungen nicht vollstrecken darf.

In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Verfahren war am 27.11.2007 über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Datum vom 30.11.2010 war das Insolvenzverfahren in die Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens überführt worden. Der Beschwerdeführer ist Gläubiger einer ausgenommenen Forderung nach § 302 Nr.1 InsO. Hinsichtlich dieser Forderung hatte der Gläubiger den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt. Nach Festsetzung des monatlichen pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach Erinnerung des Schuldners aufgehoben und der Antrag auf seinen Erlass zurückgewiesen. Die von dem Gläubiger erhobene sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben und mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter, um in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens in den Vorrechtsbereich des § 850 f Abs. 2 ZPO vollstrecken zu können.

Der BGH hält die zulässige Rechtsbeschwerde für nicht begründet.

Nach übereinstimmender Ansicht sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum gelte das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO auch für solche Gläubiger, deren Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde.

Zweck des Vollstreckungsverbotes sei es, den Neuerwerb des Schuldners, der nicht nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten oder an diesen nach § 295 InsO herauszugeben ist, den Zugriff der Insolvenzgläubiger zu entziehen. Darin einbezogen seien auch Gläubiger, deren Forderung auch einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt. Das Privileg, dass diese Forderungen von der Restschuldbefreiung insoweit nicht erfasst sind, als die Forderung nach Erteilung der Restschuldbefreiung weiter durchsetzbar sein soll, beziehe sich nur auf die Insolvenzrechtliche Nachhaftung. Eine Sonderstellung innerhalb des Insolvenz oder Restschuldbefreiungsverfahrens werde dem Gläubiger dabei jedoch nicht zugewiesen.

Nach dem BGH ist es ausgeschlossen, dass der Gläubiger einer ausgenommen Forderung bereits im Verlauf der Wohlverhaltensphase in den Vorrechtsbereich des § 850 f. Abs. 2 ZPO vollstreckt. Der Gesetzgeber habe sich für eine Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger während des Laufs der Wohlverhaltensphase entschieden. Der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes aus Art.14 Abs. 1 GG werde dabei insoweit Rechnung getragen, als dass Gläubiger ausgenommener Forderungen bei entsprechender Anmeldung und Feststellung des Anspruchs nach Erteilung der Restschuldbefreiung die Möglichkeit haben, weiter in das Vermögen des Schuldners zu vollstrecken.