BGH Versäumnisurteil vom 19.06.2012 II ZR 243/11
Der BGH hat in seinem Versäumnisurteil entschieden, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Organisation sorgen muss, welcher ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.
Indem dem dem Urteil zu Grunde liegenden Fall war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin, über deren Vermögen am 16.11.2004 auf eigenen Antrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger verlangt von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. Zahlungen in Höhe von insgesamt 532.722,69 € ersetzt, die zwischen dem 01.01. und dem 15.10. 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Die Klage wird mit der Behauptung begründet, die Schuldnerin sei bereits seit Ende 2003 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.
Die Seitens des Klägers eingereichte Revision hat Erfolg.
Nach § 64 Abs. 2 Satz GmbHG in der bis 31.10.2008 gültigen Fassung ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Mit dem Eintritt der Insolvenzreife beginnt das aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a. F. folgende Zahlungsverbot.
Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a. F. setzt Verschulden voraus, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt. Maßstab ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wobei es auf die individuellen Fähigkeiten des in Anspruch genommen Geschäftsführers nicht ankommt und mangelnde Fachkenntnis ihn nicht entschuldigt.
Nach Ansicht des BGH wird zu Lasten eines Geschäftsführers der in der § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. geschriebene Lage der Gesellschaft Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen leistet, vermutet, dass er dabei schuldhaft ,nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat. Maßgeblich sei die Erkennbarkeit der Insolvenzreife. Hierbei werde die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet.
Von dem Geschäftsführer einer GmbH werde erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Der Geschäftsführer handele daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfüge, müsste er sich ggf. fachkundig beraten lassen.
Darüber hinaus obliege des dem Geschäftsführer, der die Vermutung schuldhaften Verhaltens zu widerlegen habe, die Gründe vorzutragen und zu erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen.