„Drum prüfe wer sich ewig windet“ – Weihnachtssatire im Insolvenzrecht

– Zur Verursachung und Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit einer GmbH –

Der BGH hat mit Urteil vom 09.10.2012 – II ZR 298/11 folgenden Leitsatz entschieden:

  1. Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht im Sinne des § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist.
  2. Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
  3. Im Fall des § 64 Satz 3 GmbHG kann die Gesellschaft die Zahlung an den Gesellschafter verweigern.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger und seine Ehefrau – alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der beklagten GmbH – schlossen im Jahre 1995 einen Darlehensvertrag über 178.952,16 € zugunsten der GmbH. Eine Rückzahlung sollte bis Ende 2005 erfolgen. Es kam wie es kommen musste und die beiden beschlossen,  getrennte Wege zu gehen. Wie zu erwarten rückte das alte Darlehen in den Fokus der Betrachtung und bat um eine gerichtliche Auseinandersetzung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, trotzdessen die beklagte Ex-Frau die Rückzahlung mit der Begründung verweigerte, dass eine Rückzahlung  die Zahlungsunfähigkeit der GmbH herbeiführe und ihr eine Zahlungsverweigerung nach § 64 Satz 3 GmbHG zustehen würde.

Das eingeschaltete Berufungsgericht entschied zugunsten der Beklagten, denn die Rückzahlung von 178.952,16 € würde die GmbH in die Zahlungsunfähigkeit führen. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, dass der Beklagten nach § 64 Satz 3 GmbHG das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal eines zwingenden Zahlungsverbotes zustehe und ein Leistungsverweigerungsrecht begründe.

Da der Instanzenzug noch nicht in voller Höhe ausgeschöpft wurde, durfte sich nunmehr der BGH mit der Angelegenheit auseinandersetzen. Letztlich wurde festgestellt, dass nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtes der Anwendungsbereich von § 64 Satz 3 GmbHG nicht eröffnet sei. Der § 63 Satz 3 GmbHG verlange vielmehr, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen müsse. Dies gelte aber nicht, wenn die GmbH schon zahlungsunfähig ist. Die Parteien dürften mittelschwer entzückt über diese Problemverlagerung gewesen sein. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit sei vielmehr eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen. Von einer Zahlungsunfähigkeit sei regelmäßig auszugehen, wenn eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 % oder mehr bestehe und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen werde und der Gläubiger ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten sei (BGH Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10 m.w.N). Dies habe das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, sondern lediglich die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit anhand von geringen Guthaben und Kontoumsätzen festgestellt. Daraus allein lasse sich kein Liquiditätspotenzial entnehmen und schon gar nicht, ob die Beklagte unter Berücksichtigung des mit Inkrafttreten des MoMiG fällig gewordenen Rückzahlungsanspruchs nicht schon zahlungsunfähig war.

Es bleibt anzumerken, dass die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit selbst bei Gerichten auf Schwierigkeiten stößt. Immerhin haben sich zwei Gerichte mit der Auslegung des § 64 Satz 3 GmbHG beschäftigt, ohne scheinbar einer bereits bestehenden Zahlungsunfähigkeit der GmbH – unter dem Blickwinkel einer Anwendbarkeitssperre des § 64 Satz 3 GmbHG – nachzugehen. Und dies alles vor dem Hintergrund der Strafbarkeit nach § 84 Abs.1 Nr.2, Abs.2 i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG, wonach  der Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet ist, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, den Insolvenzantrag zu stellen. Man kann der Frau nur wünschen, dass der Ex-Mann, sollte er den anstehenden Prozess verlieren, nicht als letztes Mittel – unabhängig von Verjährungsgesichtspunkten – auch noch die Strafrechtskeule auspackt.

Die Partei grämt sich, der Steuerberater schämt sich und die Gesetzesanwendung dehnt sich.

Halten wir fest, bei Scheidungsandrohung als Geschäftsführer einer GmbH mit Altverbindlichkeiten gegenüber dem Ex-Partner ist in Zukunft folgendes zu beachten:

  1. Zur Bilanzprüfung den Steuerberater rotieren lassen.
  2. Dabei immer schön die 3 Wochen Frist im Auge behalten.
  3. Vorsorglich schon mal den Strafverteidiger informieren.

Rette sich wer kann. Das dicke Ende kommt zum Schluss.

In diesem Sinne fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!!!!!!